Einführung Eigentlich
versteht es sich von selbst, dass Eltern in der Erziehung und Bildung ihrer Kinder
wenigstens soweit übereinstimmend handeln, dass Kindern entwicklungsschädigende
Diskrepanzerfahrungen erspart bleiben. Nicht immer aber besteht eine derartige
Übereinstimmung. Dieser Mangel kann zu erheblichen Konflikten führen,
die den Familienfrieden empfindlich stören. Hier ein Beispiel: In
einer Familie gibt es erheblichen Ärger wegen des Fernsehens. Die Eltern
sind der Überzeugung, dass zu viel und unkontrollierter Fernsehkonsum ihrer
fünfjährigen Tochter schadet. Mutter und Vater sind sich einig und haben
den Fernseher aus dem Wohnzimmer verbannt. Aber Opa, der mit der Oma in der unteren
Wohnung des Zweifamilienhauses lebt, Rentner ist und viel Zeit vor dem Fernseher
verbringt, findet nichts dabei, wenn sein Enkelkind ihm beim Fernsehen Gesellschaft
leistet. Also geht die Tochter einfach die Treppe hinunter und schaut beim Opa
mit. Wenn immer
ein Kind zwischen derartige unterschiedliche Auffassungen gerät, sucht es
sich, wie das Fernsehbeispiel andeutet, die für sich bequemste oder günstigste/
angenehmste Alternative aus. Es gibt aber noch andere Reaktionsmöglichkeiten
von Kindern. Denken wir nur an unsere Erfahrung, dass Kinder Vater und Mutter,
Eltern und Großeltern, Elternhaus und Schule in derartigen Situationen gegeneinander
ausspielen können. Auf dieser Seite suchen wir Antworten auf folgende
Fragen: Was
heißt "entwicklungsschädigende" Unstimmigkeiten? Welche
Erfahrungen haben wir in Situationen, in denen wir nicht an einem Strang zogen,
mit unseren Kindern und mit uns gemacht? Welche Vorteile hat es, wenn wir
-Eltern/Erzieher- übereinstimmen im Handeln oder sogar im Denken und Fühlen?
Was können wir tun, um diese Übereinstimmung herzustellen und zu sichern? Am
Anfang sollen zunächst einige Informationen gegeben werden, die uns darauf
aufmerksam machen, dass unsere Erziehungsbemühungen Teil eines recht komplizierten
Beziehungsgefüges sind. Dies hier dargestellte Bild, beziehungsweise "System"
einer Familie halten wir uns immer vor Augen, wenn wir über Erziehungsfragen
nachdenken. Es gilt also auch für alle anderen Ka
Die Familie
als interaktives Geflecht Halten
wir uns die Heranbildung einer Familie kurz vor Augen: Eine Frau und ein Mann
lernen sich kennen und lieben; sie beschließen, zusammenzuziehen und beieinander
zu bleiben. Häufig heiraten sie auch. Bereits in dieser Zweierkonstellation
- einer Dyade - gibt es eine Fülle wechselseitiger Beziehungen, mit einer
eigenen Dynamik. Ohne an dieser Stelle eine ausführlichere Analyse vorzunehmen,
sollen fünf Elemente dieser Beziehung erwähnt und erläutert werden: Die
Erwartungen: Jeder der beiden Partner trägt an sich selbst und an den
Anderen Erwartungen heran. Hierzu ein Beispiel: Untersuchungen ergaben, dass junge
Frauen und Männer an ihre künftigen Partner sehr unterschiedliche Erwartungen
herantragen, was die Mithilfe im Haushalt betrifft. Während der befragten
weiblichen Jugendlichen es als selbstverständlich betrachteten, dass ihr
Mann später seinen Anteil an der Hausarbeit übernimmt, sehen das 2/3
der befragten männlichen Jugendlichen ganz anders. Sie erwarten, dass sie
keine Arbeitsleistungen im Bereich des Haushalts zu erbringen haben, weil das
eine Sache der Frau sein soll. Leider wird über die gegenseitigen Erwartungen
zu wenig miteinander gesprochen oder während der Phase des Honey-Moon als
nicht so wichtig angesehen. Es lässt sich voraussagen, dass jeweils unterschiedliche
Erwartungen zu erheblichen Konflikten führen werden -"wenn ich das vorher
gewusst hätte ..."-. Hier sind zu einem hohen Anteil Ursachen zu suchen,
die später zu Trennung und Scheidung führen. Die
Wahrnehmungen: Auch die Wahrnehmungen sind subjektiv. Sowohl das Selbstbild
- so sehe ich mich - als auch das Fremdbild - so werde ich gesehen - können
differieren. Der Volksmund verwendet das geflügelte Wort von der "Liebe,
die blind macht". Zu dem Bereich der Wahrnehmungen gehört nicht
nur das Sehen. Auch das richtige Deuten von Aussagen der Partnerin/des Partners
und die die Sprache begleitende Gestik, Mimik, der Ton sind sehr schwierig und
bergen die Gefahr vieler Missverständnisse. Die
Gefühle: Sie sind es, die über die "Einfärbung"
von Erwartungen und Wahrnehmungen entscheiden. Sie stehen in einem ständigen
Austausch untereinander und fragen sich gleichsam in jedem Menschen ständig:
Stimmen meine Gefühle wie Liebe oder Zuneigung noch mit dem überein,
was ich am Anderen wahrnehme, wie sie/er meine Erwartungen erfüllt? Können
sie das ausgleichen, was ich lieber anders hätte? Gefühle können
sich allmählich verändern. Günstigstenfalls wird aus Liebe verständnisvolle
Zuneigung, in ungünstig verlaufenden Beziehungen sprechen wir von Gewöhnung
und/oder Gleichgültigkeit. Gelegentlich kommen Eheleute so weit, dass sie
der Partnerin/dem Partner absichtlich "zu Leid" leben und sich "nicht
mehr riechen" können.. Die
Kommunikation: In der Begegnung mit anderen Menschen kommunizieren wir mit
ihnen. Wir sprechen miteinander, drücken unsere Erwartungen, Wahrnehmungen
und Gefühle in Sprache, Mimik und Gestik aus. Vor allem aber hören wir
dem Anderen zu, wir fragen und wir antworten. Das verständnisvolle, verstehende
und aktiv nachfragende, den Anderen zum Sprechen ermunternde Zuhören ist
bon großer Bedeutung. Die Kommunikationsforschung hat uns hier ebenso verständliche
wie überzeugende Informationen anzubieten Die
gemeinsamen Tätigkeiten: Vielleicht wird gerade dieses Beziehungselement
von Frauen und Männern, die lange allein lebten, als besonders gravierend
erfahren. Partnerschaft ist dadurch charakterisiert, dass man nicht mehr alles
allein tun muss. Gemeinsam wird gegessen, spazieren gegangen, ein Kino oder eine
Gaststätte aufgesucht, Sport miteinander getrieben, in die Ferien gefahren
und vieles andere mehr unternommen. Sogar vor dem Fernseher sitzen die Eheleute
nun zu zweit. Voraussetzung von Harmonie in einer derartig gemeinsam gelebten
Partnerschaft ist freilich, dass nicht eine Person der anderen etwas aufzwingt. Noch
einmal sei darauf hingewiesen: Das sind nicht alle Beziehungselemente! Zwischen
den Partnern kommen noch die Sexualität hinzu, solidarische Verhaltensweisen
- einer unterstützt/hilft/verteidigt den anderen, gemeinsame Vorlieben und
Steckenpferde, wie Reisen, Musizieren, Tanzen, bestimmte musikalische Richtungen...
u.a.m. Eine Partnerschaft ist also ein ebenso kompliziertes wie vielseitiges
und empfindliches Beziehungsgefüge dessen Charakteristika die Gegenseitigkeit
und die Veränderbarkeit sind. Urie Bronfenbrenner fasst diese Dynamik von
Dyaden in den Satz: "Wenn sich bei einem Beteiligten an der Dyade etwas verändert
/ eine Entwicklungsveränderung eintritt, verändert sich auch beim anderen
etwas" (Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stuttgart
1983, S. 74). In der soziologischen Literatur wird die Familie als soziales
System definiert. Die Wechselseitigkeit - Fachbegriff: Reziprozität - und
gegenseitige Abhängigkeit - Interdependenz - des zwischenmenschlichen aufeinander
bezogenen Handelns sind Eigenschaften eines sozialen Systems. Und
nun kommt der Tag, da tritt in dieses Beziehungsgefüge eine weitere Person
ein: das erste Kind. Dieses Kind verwandelt die Zweierbeziehung in eine Dreierbeziehung,
die es von Anfang an sehr aktiv beeinflusst. Für
das Kind ist - nicht nur in unserem Kulturkreis - zunächst die Mutter die
wichtigste Person. In den vorgeburtlichen Phasen und nach der Geburt immer stärker
werdend, beeinflussen die physischen und psychischen Kontakte zur Mutter die Entwicklung
des Kindes. Aber auch in der Mutter-Kind-Beziehung wirkt das Prinzip der Wechselseitigkeit
und es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Kind auf seine Mutter einen größeren
Einfluss ausübt, als das umgekehrt der Fall ist. Von Anfang an braucht ein
Kind Verlässlichkeit, Verständnis und Zuneigung, um gedeihen zu können.
Ängstlichkeit, Besorgtheit und Verzärtelung sind ungeeignete Formen
der Zuwendung. Der
Vater steht trotz dieser Beziehungspriorität zwischen Mutter und Kind keineswegs
draußen. Seine Rolle in dem "System" dieser Familie verändert
sich aber ebenso, wie die der Mutter. Für das Kind wird er allmählich
die gleiche Bedeutung erhalten wie die Mutter und muss seinen Platz finden und
ausfüllen. Kommen ein oder mehrere Kinder hinzu, verändert sich
jedes mal das Beziehungsgefüge erneut. Die Eltern stehen wegen ihres Entwicklungsvorsprungs
-gemessen an ihren Kindern- in besonderer Verantwortung, weil sie maßgeblich
die Beziehungen in allen ihren Elementen beeinflussen. Erwartungen, Wahrnehmungen
und Gefühle werden von Kindern übernommen, verarbeitet und beantwortet.
Veränderungen - vor allem mit negativem Charakter - werden empfindsam registriert,
ganz gleich, von welcher Person in diesem Gefüge -in diesem "System"-
die Veränderungen ausgehen. Über
das, was Eltern tun und lassen sollten, um die Entwicklung ihrer Kinder optimal
zu unterstützen, gibt es auf diesen Seiten eine Fülle an Aussagen. Die
Eltern selbst fragen in jeder Generation aufs neue danach, wie sie denn "richtig"
erziehen sollten. In unseren Elterngesprächen tauchte immer wieder die zweifelnde
und meist unnötige Frage auf: "Was hätte ich anders machen sollen?"
. Eines der Themen ist stets das über das elterliche Erziehungsverhalten,
und zwar unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung, so, wie es in dem Eingangsbeispiel
geschildert wurde. |
In der
Erziehung an einem Strang ziehen
Knüpfen
wir an das Beispiel vom Fernsehen an und schauen auf die beteiligten erwachsenen
Personen: Mutter und Vater, Oma und Opa gehören in die Familie. Zeichnen
wir ein Bild der Familie und skizzieren dabei die Formen der Zusammengehörigkeit,
dann werden wir für Oma und Opa einen Platz außerhalb der Kernfamilie
-so nennen wir die drei Personen Mutter, Vater und Tochter - zeichnen müssen.
Oma und Opa aber sind
nicht nur "draußen" - außerhalb der Kernfamilie -, sie sind
auch älter, sind anders eingerichtet, haben einen anderen Tagesablauf, sie
sprechen anders, bevorzugen andere Speisen und vieles andere mehr. Die fünfjährige
Tochter ist sehr gut in der Lage und alt und klug genug, um diese Unterschiede
zu den eigenen Eltern beziehungsweise zur Kernfamilie zu erkennen. Wenn ein Kind
aber Unterschiede zwischen "signifikanten" anderen Personen - damit
sind alle die gemeint, die für ein Kind eine wichtige Bedeutung haben und
das sind nicht allein Mutter und Vater - wahrnimmt, dann könnte es auch mit
den unterschiedlichen Wert- und Normvorstellungen umgehen. Voraussetzung
dafür, dass es ohne Schaden die gemeinten Unterschiede verkraftet, ist die
Toleranz. Sofern Mutter und Vater die Verschiedenheiten von Oma und Opa akzeptieren
und die anderen Ansichten, Lebensgewohnheiten oder Umgangsweisen mit dem eigenen
Kind tolerieren und umgekehrt die Großeltern die anderen Ansichten, Lebensgewohnheiten
oder Umgangsweisen der Eltern mit dem Kind tolerieren, wird es weniger Probleme
geben. Probleme wird es dann geben, wenn die Bezugsgruppen Elternpaar und Großelternpaar
mit allem, was die jeweils anderen tun, nicht einverstanden sind. Und noch schlimmer
wird es, wenn sie ihre Meinungen in Gegenwart des Kindes laut und deutlich, in
Sprache, Mimik und Gestik, zum Ausdruck bringen. Die eigenen Erinnerungen
von jedem von uns bestätigten diese Erfahrung: Wenn sich unsere Eltern negativ
über die von uns geliebten Großeltern ausließen, dann kamen wir
in einen "Loyalitätskonflikt". Wem sollten wir Recht geben, wem
durften wir glauben? Noch schlimmer wird die Situation eines Kindes, wenn auch
die Großeltern ihrerseits über die Eltern oder über einen Elternteil
"herziehen". Der Gipfel eines derartigen Loyalitätskonfliktes wird
für ein Kind dann erreicht und es in eine schier ausweglose Lage gebracht,
wenn uns eine der beteiligten Eltern wegschickt mit der Bemerkung: "Geh doch
zum Opa! Hast ihn ja eh' lieber als mich...". Konflikte dieser Art aber,
die das seelische Gleichgewicht eines Kindes empfindlich durcheinander bringen
und die Beziehungen zu signifikanten Anderen negativ einfärben, führen
unweigerlich zu, zum Teil erheblichen, Erziehungsschwierigkeiten. Die Lösung
beziehungsweise entsprechende Vorbeugung ist eigentlich denkbar einfach: In
dem Ausmaß, in dem die beteiligten Erwachsenen ihre Verschiedenheiten akzeptieren
- zumindest aber tolerieren - , können Kinder mit den aus diesen Verschiedenheiten
herrührenden unterschiedlichen Erziehungsverhalten wie z. B. Geboten oder
Verboten leben. Akzeptanz und Toleranz bedeuten also keineswegs in allen Fällen
zugleich Übereinstimmung im Handeln! Je unterschiedlicher die Lebenserfahrungen
und -Ansichten der Menschen sind, um so geringer ist die Aussicht, in allen Punkten
der Erziehung und Bildung auf einen Nenner zu kommen. Das ist auch gar nicht
notwendig. Wenn nur, so ließe sich allgemein sagen, die gegenseitigen Beziehungen
"stimmen". In derartigen Fällen bezieht sich die Übereinstimmung
nicht auf ein bestimmtes erzieherisches Handeln und die dahinter stehenden Überzeugungen,
sondern darin, dass die Erziehungsbeteiligten sich in Bezug auf die gegenseitige
Toleranz einig sind. Sind die Beziehungen aber gestört und stimmen wir
nicht in unserem Toleranzverhalten überein, dann müssen wir damit rechnen,
dass die Störungen über das Kind ausgetragen werden und es Schaden
nimmt. Ganz
besonders vertraut ist uns diese Erkenntnis aus Trennungssituationen. Und damit
sind wir bei der Kernfamilie. Alles was für die Verbindung zwischen Eltern
und Großeltern gilt, trifft natürlich auch für die Eltern selbst
zu. Je besser ein Kind die Beziehungen zwischen seinen Eltern erlebt, umso eher
kann es Unterschiede in den jeweiligen Erziehungsverhalten verkraften. Verändern
sich aber die guten Beziehungen zwischen den Eltern zum Negativen hin, sei es,
dass sie sich nicht achten, andere Frauen/Männer attraktiver finden oder
sich einfach nicht mehr mögen, dann wächst die Gefahr, dass derartige
Beziehungsstörungen auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.
"Geh zu Deinem Vater ... zu Deiner Mutter" heißt es dann und nicht
mehr: "Geh zu Papa ... Mama". Ist dann eines Tages tatsächlich
die Trennung/Scheidung eine beschlossene Sache, ist in Bezug auf eine positive
Entwicklung von Kindern schon viel Porzellan zerschlagen worden. Wir
Eltern sind in derartigen Phasen so mit uns selbst und unserem Leid beschäftigt,
dass wir übersehen, dass sich das Selbstwertgefühl eines Kindes oder
Jugendlichen aus der Liebe, der Akzeptanz und der Zuverlässigkeit der Beziehungen,
im Grunde sogar aus dem ganzen Beziehungsgeflecht speist. Gehen die Beziehungen
zu Bruch, leidet das Selbstbild eines jungen Menschen. Wir können es drehen
und wenden wie wir wollen: Ein Kind fühlt sich schuldig und ist beschädigt,
wenn Eltern sich trennen oder wenn es in einer Familie zu Brüchen z. B. zwischen
nahen Verwandten kommt.. Nun
liegen zwischen der zeitweiligen völligen Übereinstimmung in Fragen
der Erziehung und Bildung und von Gegensätzen, die unauflösbar sind,
weil die Beziehungen nicht mehr stimmen, eine ganze Palette von "Hü-
und Hott- Situationen", die unseren Familienalltag bestimmen. Wo die Grenze
des Erträglichen für ein Kind liegt, kann nur vom Kind selbst beantwortet
werden. Es erscheint
als unmöglich, eine für alle Kinder gleichermaßen gültige
Toleranzgrenze zu bestimmen, ab der sich unterschiedliche Erziehungsverhalten
von Eltern schädlich auf die Entwicklung auswirken. Bereits kleine alltägliche
Anlässe können immer dann nachteilige Auswirkungen haben, wenn unterschiedliche
Erziehungsverhalten Ausdruck von Beziehungsstörungen sind. Außer den
Störungen zwischen einem Elternpaar kann es auch Beziehungsstörungen
zwischen Eltern und Erzieherinnen im Kindergarten oder Lehrerinnen/Lehrern geben,
die dann ähnliche Folgen haben werden. Wir
wissen nun, dass gute Beziehungen zwischen Eltern die gute Chance bergen, dass
unterschiedliche Auffassungen von allen Beteiligten gut verkraftet werden. Wenn
immer wir bereit sind, den anderen Elternteil, eine Erzieherin oder Lehrerin in
ihren Eigenartigkeiten und Einzigartigkeiten anzunehmen und zu akzeptieren, fällt
es auch einem Kind nicht schwer mit unterschiedlichen Reaktionen zurechtzukommen.
Kinder bauen ihre Erfahrungen gern in ihr Verhaltensrepertoire ein. Sie gehen
vielleicht zuerst zu der/dem, wo sie damit rechnen können, ihren Wunsch erfüllt
zu bekommen. Das ist kein Beinbruch, vorausgesetzt, dass sich niemand deswegen
gegen den anderen ausgespielt fühlt. Wenn es uns aber zuviel wird oder wir
verunsichert sind, weil derartige Diskrepanzen zu häufig auftreten und wir
den Eindruck haben, dass unser Kind Schaden nimmt und wir sagen müssen: "Du
verwöhnst das Kind. Wenn Du so weitermachst, lässt es sich von mir nichts
mehr sagen ...", dann ist es Zeit, sich zusammenzusetzen und miteinander
darüber zu sprechen. Wir müssen deswegen keine allwöchentlichen
Familienkonferenzen einrichten. Dennoch sind die entsprechenden Empfehlungen von
Thomas Gordon - ("Familienkonferenz". Hamburg 1972)
- noch immer gültig. Es ist immer besser, miteinander zu reden, als es darauf
ankommen zu lassen, dass wir uns wegen unterschiedlicher Auffassungen und Entscheidungen
in die Wolle kriegen. Die Bereitschaft zum Gespräch, zur Offenheit und
zum Einanderzuhören ist Ausdruck unserer Beziehungen. In einem solchen gemeinsamen
Gespräch können wir unser Kind/unsere Kinder selbst fragen, was sie
an unserem Erziehungsverhalten stört. Wir sollten keine Angst haben, dass
Familienkonferenzen zu diesem Thema unsere Autorität beeinträchtigt.
Autorität begründet sich unter anderem mit Offenheit und mit unserer
Fähigkeit und Bereitschaft, Grenzen zu setzen und Grenzen vorzuleben. Hierzu
mehr im Kapitel über Drohungen und Strafen.
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Eltern
erziehen nicht allein
Wenn
ein Kind drei Jahre alt wird, kann es in den Kindergarten gehen, nach seinem sechsten
Geburtstag muss es in die Schule. Drei Träger von Erziehung und Bildung,
die sich, ein jeder auf seine Weise und in eigener Verantwortung, um das gleiche
Kind bemühen. Nehmen wir noch hinzu, dass in der Familie, in der ein Kind
heranwächst, mehrere Erwachsene - zum Beispiel Mutter und Vater, vielleicht
noch die Großeltern, wie oben beschrieben - auf das Kind einwirken, dann
können wir uns vorstellen, wie wichtig es ist, dass alle an einem Strick
ziehen. Der guten Kooperation aller an der Erziehung und Bildung eines Kindes
Beteiligten, kommt also ein hoher Stellenwert zu. Hier ist vor allem an die Kindergärten
und Schulen zu denken, die durch unsere Kinder mit der Familie verbunden sind.
Nicht selten kann es zu Unstimmigkeiten zwischen Berufserzieherinnen und Erziehern
aus Kindergarten und Schule und den Eltern kommen. Zur Erziehung gehören
nicht nur bestimmte Ziele, die wir vor Augen haben, oder Erziehungsmittel, wie
zum Beispiel Ermutigung/Lob oder Drohung/Strafe, sondern auch bestimmte Normen
und Wertvorstellungen. Da kann es Eltern geben, denen Ordnung und Genauigkeit
-zum Beispiel bei der Heftführung oder den Hausaufgaben- nicht so wichtig
sind wie der Lehrerin oder umgekehrt. Dann wird es unverzichtbar sein, sich zu
verständigen. Auf die Bedeutung dieser Verflechtung der Lebensbereiche Familie
einerseits und Schule beziehungsweise Kindergarten andererseits ist auf den Seiten
über die Kooperation
bereits ausführlich hingewiesen worden. Hier
sei lediglich noch einmal unterstrichen, dass wir Eltern alles dazu tun sollten,
damit zwischen uns und allen anderen an der erziehung und Bildung unserer Kinder
beteiligten Personen jene guten Beziehungen bestehen, um die wir uns innerhalb
der Familie stets bemühen. Wie das praktisch aussehen kann, ist auf den Seiten
über die Kooperation oder das Lernen
für die Schule beschrieben. |
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